Guten Morgen Berlin. Tür zu. Abschliessen. Ich setze die Kopfhörer auf und haste im Beat die Treppen herunter. Ich mag diese Taktgeber morgens, ich muss mich eingrooven – irgendwie. Es ist 8:26 Uhr, den Bus erwische ich jetzt nicht mehr, nehme ich halt die Tram. Bei Sekunde 0:31 nehm ich das iPhone aus der Tasche und mache nochmal einen Rewind. Was für eine Stelle – schön, das möchte ich noch einmal von vorne hören und nebenbei checken, was mir da so unter-geshuffled wurde. Ben Ivory. Ach ja. Dieses Model. Und hatte der nicht mal einen Auftritt bei diesem Eurovision Song Contest? Stimmt. Egal. Play. Bei Sekunde 00:31 mache ich wieder einen Rewind – irgendwie stehe ich auf diese Stelle. Ich mag dieses knarzige Synth-Dingens. Zack, die Tram erwischt.

Ich versuche, mir eine halbwegs freie Stelle zu ergattern. Sitzen unmöglich. Wie auch – dieser Song geht in die Beine. Ich muss mich zusammenreißen, nicht all zu dolle rumzuhampeln. Der Song ist auch gar nicht so alt. Zaubermilch Records. Irgendwann aus dem Januar. Ich schliesse kurz die Augen.

„Alte Bausubstanz“ höre ich dumpf hinter mir einen Mid-Twen sagen. Sie erzählt ihrem Freund in einem neon-anthrazitfarbenen Mantel gerade, dass die Straßen hier so furchtbar schmutzig sind. Dieses Grafitti. Und überhaupt – da will man nicht spazieren gehen, sehr ungemütlich, das alles. Wir stehen kurz vor der Tram-Haltestelle U-Bahnhof Eberswalder Straße. Ich drücke ein weiteres mal auf Stop – denn eigentlich will ich mich umdrehen und ihr ins Gesicht schauen. Da fällt es wieder das Wort. „Ist das nicht alles alte Bausubstanz?“, fragt sie ihren Freund. Er lächelt stumm und zuckt mit den Schultern. Kann sein.

Ich drücke wieder auf Play. Ist das nicht völlig egal, meine Liebe? Geh doch woanders spazieren. Ich lebe hier, seit ich geboren bin. Mir gefällt es hier. Ich finde es gemütlich. Hier darf ich hören und sagen, was ich will. Hier darf ich lieben, lachen, tanzen, küssen, umarmen … Für mich ist diese Stadt Gold.

Ich freue mich für Ben Ivory, dass er die Kurve rechtzeitig genommen hat und eine großartige, zeitlose epische Nummer mit Rauschhaus produzieren konnte.

Shine on you forever.