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Me + Marie im Interview

Wir lieben jeden Song, der hier vorgestellt wird, dennoch gibt es dann doch welche, die besonders hervorstechen und in Erinnerung bleiben. Und „You don’t know“ des Südtiroler/ Schweizer Duos ME+MARIE ist so ein Fall – als wir den erstmals vorstellten, hatte die Band nicht nur unseren Nerv, sondern auch den unserer Leser getroffen, wie wir an bislang ungekannten Ausmaßen an Facebook-Reaktionen feststellen konnten. Mittlerweile ist ein zweites Video und das Album „One Eyed Love“ erschienen, das, und da sind wir uns intern einig, zum Besten gehört, was das Musikjahr 2016 bislang hervorgebracht hat.

Klar, dass wir die Gelegenheit, mit der Band selbst zu sprechen, da nur allzu gerne wahrgenommen haben, als sie Station in Berlin machte. Als wir am Badehaus Szimpla eintreffen, ist die Band noch am Soundcheck und hat schon eine strapaziöse Fahrt von Köln hinter sich. Beim anschließenden Gespräch geben sich Maria de Val und Roland Scandella dennoch ausgesprochen entspannt, offen und auskunftsfreudig. Mit im Kreis um die Badewannen-Bank sitzen Abgesandte des Berliner Blogs Jane/Sepp sowie vom FastForward Magazine. Die Fragerunde ist eröffnet, wir fangen erst einmal ganz vorne an: Wie haben sich Roland und Maria kennengelernt?


 

Roland: Ich hatte als Musikredakteur im Radio gearbeitet und hab da eine neue Band vorgestellt bekommen, so drei Mädels, die ladinisch singen, und ich fand das wirklich gut. Zu der Zeit war ich gerade dabei, Songs für mein Soloalbum zu schreiben und wollte auch unbedingt eine Frau in der Band. Da hatte ich gesucht und gesucht, die sollte auch romanisch singen können, es war als romanisches Projekt angedacht. Und als ich sie beim Radio kennengelernt habe, hatte ich gedacht, ich bin jetzt so frech und nehm Kontakt auf und hab ihr einen Song geschickt. Den besten natürlich.

Maria: Ich hab zugestimmt und hatte dann auf seinem Soloalbum gesungen. Irgendwann hatten wir dann einen Auftritt in Husum, nur wir zu zweit, ohne die Band, und das war der Moment, wo wir entschieden haben, zu zweit weiter zu machen und Songs zu schreiben.

Roland: Wir standen parallel zum Publikum und haben uns beim Spielen angeschaut. Das war schon ein magischer Moment auf der Bühne. Die Leute sind da total drauf abgefahren und wollten dann gleich unsere Platte kaufen. Also nicht meine Soloplatte, sondern von uns zwei.

Kommt aus diesem Soloprojekt auch der Bandname? Das „Me“ ist ja dann aus deiner Perspektive.

Roland: Das „Me“ war eher eine Notlösung. „Maria und Roland“, das klingt eher nach Schlager als nach Rockmusik. Wir haben ganz viele Namen aufgeschrieben, und nichts gefunden. An dem „Marie“ sind wir irgendwie hängen geblieben, das passt ja auch. Dann brauchte es noch einen Namen für mich. Beim Spazierengehen kam dann irgendwann der Vorschlag „Marie and … me?“ Daraus wurde dann „Me + Marie“, das war einfach klangvoller, und im Englischen darf man sich ja auch zuerst nennen. m+m_wanne


 

Der Name war also da, die Chemie stimmte, und Songs gab es auch rasch. (Roland: „Der erste fertige Song war „Where’s Your Soul“, und da war eigentlich auch schon klar, dass da noch viele weitere in uns schlummern.“) Statt nach einem Label zu suchen, entschloss sich die Band jedoch, das erste Album via Crowdfunding zu finanzieren, was auch zum gewünschten Erfolg führte.

Maria: Wir wollten einfach die Zeit haben, die wir brauchen. Wenn man mit Labels arbeitet, hat man immer einen Zeitplan für Veröffentlichung und Tour … Wir wollten das lieber ganz alleine machen, also zu dritt, mit dem Produzenten Alex Sprave, und so lang dran arbeiten, bis für uns alles passt. Wir haben die Arbeit, die das Crowdfunding im Nachgang macht, allerdings ein bisschen unterschätzt. Und die Portokosten, insbesondere für LPs.


Womit wir beim Album wären. Natürlich muss da eine Frage zu den nicht-englischsprachigen Songs kommen. Auf „Hai Eu Less“ singt Roland in seiner Muttersprache Ladinisch, was natürlich aufhorchen lässt. Neu ist das eher für den Hörer, während das Englische eher für Roland und Maria Neuland ist.


Maria: Wenn man die Sprache nicht versteht, ist das wohl ein anderes Hören. Das hat auch was. Andererseits ist es auch manchmal schade, wenn man gar keinen Text versteht. Wir fanden es gut, auch mal andere Sprachen auszuprobieren.

Roland: Mit Englisch, da ist man dann einfach mal ne Band, und wird nicht nur unter dem Aspekt der Sprache betrachtet. Da geht’s mehr um Musik und nicht um den musealen Aspekt. Wir glauben auch, wir hätten mit rein ladinischen Texten nicht die Reichweite, die wir jetzt haben.

Maria: Es gibt Dinge, die sich halt auf Englisch besser sagen lassen, und andere, für die die Muttersprache besser geeignet ist – das entscheidet meist der Song selbst. Wir haben übrigens auch einen Song auf Deutsch, der wird recht … lustig, aber der ist noch nicht fertig.

Roland: Bei „Hai Eu Less“ war das auch so: der Song ist auch extrem schnell gegangen, die Gitarre war der zweite Take, der Gesang der erste. Das war alles so stimmig … ich hab beim Singen schon gewusst „Das ist es, das bring ich nie mehr, jetzt verkack’s einfach nicht!“ Das hat in dem Moment einfach alles gepasst. Deswegen berührt der Song vielleicht auch so.


Der Gesang entstand übrigens ein paar Monate nach den zweimonatigen Aufnahmen in Berlin. Um die Gesangsspuren mit neuer Frische anzugehen, zogen sich Band und Produzent in ein Haus im Bayrischen Wald zurück, genossen die Stimmung und die Landschaft – ein Ambiente, das wohl eindeutig ein entspannteres Feeling hervorruft als der Berliner Winter. Dem Album hat es hörbar gut getan, denn hier ist die Harmonie in jeder Sekunde zu spüren.


Merkt ihr eigentlich schon beim Schreiben, dass ihr einen ganz großen Wurf gelandet habt, so wie etwa „You Don’t Know“?

Roland: Das Riff kommt von Maria, wir haben in meinem Übungsraum in Chur so ein wenig herumgejammt. Da hatte Maria die Gitarre in die Hand genommen und irgendwann kam das Riff, und ich so: „Holy Shit, was ist das? Spiel das nochmal!“ Ich hatte dabei schon das Gefühl, dass da gerade etwas Spezielles entsteht.

Maria: Weil die Gitarre nicht mein Hauptinstrument ist, spielt man dann oft einfachere Sachen. Wir haben drauf rumgejamt und quasi filtriert, nachdem Roli das gefallen hat.

Schreibt ihr Songs immer zu zweit, oder kommt auch mal einer mit fertigen Stücken an?

Roland: Das passiert schon manchmal. „Storm is Rising“ hab ich zum Beispiel fertig gemacht, aber dann müssen wir es noch „verme+marieen“. Da geschieht dann noch eine Metamorphose, in der das zum Band-Stück wird. Die meisten schreiben wir aber zusammen von Anfang an.

Maria: Das ist bei uns oft so: Ich probier gern herum, mit Melodien und Sounds, die für mich neu sind, und hab viele Ideen, aber ich hab nicht die Geduld, das auszuarbeiten, das ist dann Roli, der dann dabei bleibt.

Das klingt überraschend, wenn man weiß, dass du einen akademischen Background hast und Jazz-Schlagzeug studiert hast.

Maria: Deswegen hab ich ja auch aufgehört. Ich hatte die Hoffnung, im Studium Leute zu treffen, mit denen man zusammen Musik machen und Neues probieren kann. Ich hab schon viel gelernt, aber ich hatte keine Band. Man trifft sich einmal, muss schnell die Standards lernen und aufführen. Das war nicht, was ich wollte. Ich wollte schon immer meine eigene Musik machen und Songs schreiben. Und dazu muss man frei sein und nicht so akademisch und verkopft. Ich glaube, meine Studienkollegen würden das auch ganz schrecklich finden, was wir da machen.

Roland: Maria ist wie eine Jukebox. Man muss ihr nur eine Gitarre in die Hand drücken und daneben stehen, und dann passieren viele interessante Dinge.


Rolands Wurzeln liegen hingegen in Rockbands, was man ihm auch durchaus ansieht, wenn er auf der Bühne steht. Obwohl es bei Me + Marie auch schon mal kräftig nach vorne geht, gibt er zu Protokoll, das Interesse an Rockmusik inzwischen weitgehend verloren zu haben. Entsprechend hat er die ruhigeren Kompositionen beigesteuert, Maria probierte sich hingegen erstmalig in rockigeren Gefilden aus.


Roland: Ich hab einfach total Spaß an diesen ruhigen Sachen, an dieser Stimmung. Bestes Beispiel: Bon Iver, das hatte schon nen Einfluss.

Maria: Der kommt ja auch aus dem Rock, und macht diese ruhigen Sachen mit ganz reduzierten Mitteln, aber mit der Energie von Rockmusik.

Welche Musik inspiriert euch noch so, und was hört ihr privat?

Roland: Och, da gibt es so viel …

Maria: Ich mochte die letzte von Nick Cave, die hatte eine schöne Stimmung.

Roland: Und die Beatles. Immer noch, weil die einfach super sind. Wir raten im Auto immer „Wer singt jetzt? John oder Paul?“

Maria: Da können wir uns streiten.

Roland: Was haben wir noch gehört … Die letzte Calexico-Platte etwa. Und Fink find ich total geil. Queens Of The Stone Age … nicht alles, aber vieles.

Maria: „Raising Sand“ von Robert Plant und Alison Mossheart hat uns inspiriert, gerade was den Gesang angeht. Da haben wir auch einfach mal Stücke davon gesungen.

Roland: Die Musik, die mich unterm Strich am meisten bewegt, ist Blues, von den 30ern bis heute. Wenn ich einen Howlin Wolf höre, oder Muddy Waters – ultrageil.

Maria: Von den aktuellen Bands … Balthazar haben eine tolle Platte, Rats.

Roland: Und ich hab grad wieder eine totale Dandy Warhols-Phase.


Auffallend viele Stücke auf „One Eyed Love“ drehen sich um Liebe. Wohlgemerkt nicht ums Schweben auf Wolke sieben, sondern eher um dysfunktionale Beziehungen, weswegen der Albumtitel auch treffend gewählt ist: Nicht mehr blind vor Liebe, aber auch nicht mit dem klaren, distanzierten Blick über alles.


Roland: Es sind keine Lovestorys. Es geht eher um diese Beziehungssituationen, in denen man merkt, dass man sich nicht gut tut und sich eingestehen muss, dass es besser wäre, sich zu trennen. Oder so was wie „Please Forgive Me“ – entschuldige, was ich getan habe. Das kennt jeder, das sind so Gefühle, die wir ansprechen wollen. Irgendwie hat sich das durch die Platte so durchgezogen. Das war zuerst gar nicht bewusst geplant, und hat uns auch grad nicht akut beschäftigt, aber es ist ein gutes Thema. Es bedient so eine leichte Melancholie, und wir Bergmenschen lieben das. Wir baden darin.

Maria: Manche Dinge wurden uns erst später bewusst. Bei den Interviews zum Beispiel, das ist ganz interessant, was andere dann zur eigenen Musik feststellen.


Für die Liveauftritte haben sich Me+Marie um einen Mitmusiker verstärkt, Tom ergänzt die beiden an Gitarre und Orgel und hilft, die klangliche Vielfalt des Albums auf die Bühne zu bringen. Dass die Chemie auch zu dritt stimmt, beweisen sie am Abend, als sie im Badehaus zu begeistern wissen. Sie spielen ihr gesamtes Album, schwer hitverdächtige neue Stücke sowie eine „Ace Of Spades“-Version, die nicht weiter von Heavy Metal entfernt könnte, und dennoch mit Respekt, Aufrichtigkeit und Leidenschaft intoniert wird. Den Zugabeblock eröffnen sie mit einer gänzlich unplugged – also ohne Verstärkung und Mikrofone – am Bühnenrand gespielten Version von „Please Forgive Me“. Das, liebe Leser, habt ihr leider verpasst, denn diese Nummer werden sie in der Mercedes-Benz-Arena nicht mehr wiederholen können.

 

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